Dienstag, 19. August 2014

Angst der Bildungsbürger

Das gebildete Deutschland schafft sich ab titelt die Welt. Ließt man den Artikel dann weiß man, dass es stimmt. Nicht durch den Inhalt, sondern durch den Schreibstil. Beispielsweise wird folgendes mitgeteilt:

Etwa 40 Prozent der Neuköllner Jugendlichen haben keinerlei Schulabschluss.

Neuköln ist also ein Querschnitt der Bevölkerung. Suche und du wirst finden. Die Abschlussquote mag stimmen, aber was sagt das über Deutschland aus? Es sagt aus, dass wir Arme und Migranten in ein Stadtteil "sperren" und dabei die Förderung vergessen. 
Lustig in dem Artikel ist zum Beispiel folgende Aussage

Als Dammann einmal die Geschichte von Jakob und Esau aus dem Alten Testament der Bibel vorlas, glaubten die meisten Schüler, er habe aus dem Koran zitiert.


Zeugt das von einer schlechten Bildung? Wohl eher von einer schlechten Bildung des Welt Autors. Schließlich beruhen das Judentum, das Christentum und der Islam auf den gleichen Wurzeln. Jakob ist im Islam einer der Propheten. Somit ist es nicht abwegig, dass Jugendliche die sich ein wenig mit ihrer Religion auseinandergesetzt haben diese Geschichte oder eine ähnlich klingende schon einmal gehört haben. Davon abgesehen, hätte ich den Unterschied als bekennender Nichtgläubiger auch nicht gewusst. 
Natürlich darf die folgende Floskel nicht fehlen

Überhaupt werde zu wenig gelesen.

Beweise bleibt der Autor schuldig. Denn lesen muss man im Buch. Das im Internet vieles in Form von Texten steht und sich Jugendliche dort aufhalten zählt nicht. Folglich auch diese Kritik

Die 15- bis 16-Jährigen hätten zwar ein "starkes Inselwissen", doch fehle es ihnen an Zusammenhängen und vertieften Kenntnissen". Stattdessen höre man im Unterricht oft Stammtischparolen.

Die Erwartung, dass man mit 15 Jahren ein Allgemeinwissen (was soll das sein) besitzt und ein ganzheitliches Verständnis der Welt hat, ist sehr gewagt. Das haben viele Erwachsene nicht. Schön der Hinweis auf die Stammtischparolen, die Jugendliche wie ihre Eltern unter anderem aus Zeitungen (ja auch aus der Welt) erlernen.
Das Fazit des sinnlosen Artikels

Und da schließt sich der Kreis: Je weniger Menschen wissen, desto größer ist ihre Anfälligkeit für autoritäre und diktatorische Systeme.
Die Deutschen haben es erlebt: Auch Dummheit kann tödlich sein.

teile ich nur bedingt. Der Verweis, dass die Dummen anfällig für autoritäre und diktatorische Systeme sind, musste natürlich ans Ende des Welt Beitrags. Dabei waren es nicht die Dummen, sondern die Verzweifelten die das Dritte Reich feiernd begrüßten. Wer keine Zukunft und Hoffnung hat, lässt sich leichter radikalisieren. Die historische Forschung zeigt, dass es nicht die dummen Bauern waren die fahnenschwenkend den Beginn des ersten Weltkriegs feierten. 

Die aktuellen Beiträge in den Medien zeigen ein ähnliches Bild. Die vermeintlich gebildeten Journalisten schreiben einen Konflikt mit Russland herbei. Diese Journalisten fordern Waffenlieferungen in Krisenregionen, erlauben Armeewerbung in Jugendzeitschriften und kritisieren die Regierung kaum. Ein öffentlicher Diskurs findet kaum statt. 
Oder kann sich jemand erinnern, dass die Bundesregierung bei der Aufarbeitung des NSA Skandals deutlich kritisiert worden ist? Wird das Freihandelsabkommen mit den USA mit allen Für und Widers dargestellt? Wird ein Diskurs über die Einkommens- und Vermögensverteilung im Land geführt? Solche Diskurse werden kaum geführt. Jungendlichen wirft man dann aber vor, nicht kritisch zu sein und die Lust an Politik und Demokratie zu verlieren. 

Chris

2 Kommentare:

  1. Ergänzung:
    "Etwa 40 Prozent der Neuköllner Jugendlichen haben keinerlei Schulabschluss."
    Diese Zitat des Welt-Autors Reinhard Mohr spricht auch für einen wesentlichen Bildungsmangel, nämlich dem Mangel Statistiken richtig zu verstehen/zu verwenden. Das unter Jugendlichen viele keinen Schulabschluss haben ist üblich, denn diese haben teils noch garnicht das dafür nötige Alter erreicht (nach deutschem Recht ist ein Jugendlicher 14 bis Ende 17, welche Alterswert in der angeblich zitierten Statistik verwendet wurden bleibt unbekannt). Die Schreckenszahl 40 Prozent ist also in Wirklichkeit eine Zahl ohne Aussagewert (sie hängt wesentlich von der Altersverteilung der Jugendlichen ab). Entweder Mohr war nicht fähig die Statistik zu verstehen und wiederzugeben, falls es sich um junge Erwachsene handelt. Oder er hat eine nicht aussagekräftige Statistik ausgewählt, deren Wert zwangsweise hoch ist und Neukölln genommen weil der Bezirk für hohen Migrantenanteil bekannt ist.
    Nach kurzer Recherche ist wohl Letzteres der Fall, der Tagesspiegel gab 2012 die Quote ohne Abschluss mit 14 Prozent an (was überdurchschnittlich ist, Berlin-Durchschnitt beträgt 10 %, aber natürlich weit ab von den Welt-Fantasiewerten).

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    1. Danke für die Ergänzung. 4% Unterschied sind leider nicht der Untergang des Abendlandes.

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